Zusammenfassung: Unter den Studienanfänger*innen und Studierenden in Deutschland sind Frauen seit wenigen Jahren insgesamt sowie in den meisten Fächergruppen in der Mehrheit. Dazu dürften die mittlerweile deutlich höhere Studienberechtigtenquote unter den Frauen und Veränderungen im Fächerspektrum der Hochschulen beigetragen haben. In den einzelnen Studienbereichen gibt es zum Teil erhebliche Ungleichgewichte hinsichtlich des Anteils männlicher und weiblicher Studierender. Der Blick auf die absoluten Zahlen zeigt aber beispielsweise, dass die Wirtschaftswissenschaften bei beiden Geschlechtern der beliebteste Studienbereich sind und dass die männlich dominierten Ingenieurwissenschaften auch von vielen Frauen als Studienfach gewählt werden. Trotzdem sollten die Ungleichgewichte aus verschiedenen Gründen im Blick behalten werden.
Im Wintersemester 2023/24 waren unter den insgesamt 2.868.311 Studierenden in Deutschland 1.460.481 Personen in der Hochschulstatistik dem Geschlecht weiblich zugeordnet, was einem Frauenanteil unter den Studierenden von 50,9 Prozent entspricht. Unter den 404.800 Studienanfänger*innen zum WS 2023/24 in Deutschland gab es 211.832 dem weiblichen Geschlecht zugeordnete Personen, was einem Frauenanteil unter den Studienanfänger*innen von 52,3 Prozent entspricht. Im WS 2021/22 gab es erstmals mehr weibliche als männliche Studierende an deutschen Hochschulen, wie wir im DatenCHECK 1/2022 gezeigt haben. Unter den Studienanfänger*innen gibt es bereits seit dem WS 2016/17 durchgehend Frauenanteile von über 50 Prozent. Im weiteren Verlauf der akademischen Laufbahn liegen die Frauenanteile allerdings weiterhin bei unter 50 Prozent, bei den Professuren noch sehr deutlich.
Der Anteil der weiblichen und männlichen Studierenden und Studienanfänger*innen variiert erheblich zwischen den verschiedenen Studienfächern. Dieser Beitrag zeigt daher die Geschlechterverteilung (Frauen/Männer) unter den Studierenden bzw. Studienanfänger*innen im Zeitverlauf, nach Bundesländern nach Fächergruppen und schließlich nach Studienbereichen. Darüber hinaus versuchen wir anhand verschiedener Datenquellen abzuschätzen, welcher Anteil der Studierenden sich keinem der beiden Geschlechter (Gender) männlich und weiblich zuordnet und daher entweder die Option divers angibt oder keine Angabe zum Geschlecht macht. Abschließend wird noch ein Fazit gezogen.
Hinweis: Das Statistische Bundesamt unterscheidet in seinen veröffentlichten Daten bei den Geschlechterkategorien nur nach männlich und weiblich. Laut Statistischem Bundesamt werden in der Studierendenstatistik „Personen mit den Geschlechtsangaben „divers“ und „ohne Angabe“ (nach § 22 Absatz 3 Personenstandsgesetz) in Geheimhaltungsfällen per Zufallsprinzip dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet.“ Die Gesamtsumme der Studierenden entspricht daher der Summe aus männlich und weiblich. Insofern entspricht der Männeranteil in den unten stehenden Tabellen immer 100 Prozent minus den Frauenanteil.
Von den insgesamt 244.453 Bewerbenden zum Wintersemester 2024/25 bei Hochschulstart.de (Zentrales Verfahren und Örtliches Verfahren) hatten 386 Personen (0,16 Prozent) „divers“ angegeben und 994 Personen (0,41 Prozent) keine Angabe zum Geschlecht gemacht. Bei den u.a. Daten zu den Frauen- und Männeranteilen gehen wir von derselben Größenordnung aus.
Frauenanteil unter Studierenden im Zeitverlauf und nach Bundesländern
Die untenstehende Grafik verdeutlicht, dass sich der Anstieg des Frauenanteils unter den Studierenden auch nach dem WS 2021/22 weiter fortgesetzt hat. Der Anteil weiblicher Studienanfänger*innen stagniert dagegen in den letzten Jahren bei rund 52 Prozent. Die Karte zeigt, dass sich die Frauenanteile unter den Studierenden von Bundesland zu Bundesland leicht unterscheiden. Thüringen mit über 60 Prozent Frauenanteil unter den Studierenden ragt heraus. Dies ist jedoch im Wesentlichen auf den hohen Frauenanteil von 64,4 Prozent unter den dem Standort Erfurt zugeordneten (Fern-)Studierenden der IU Internationalen Hochschule zurückzuführen.
Frauenanteil unter Studierenden und Studienanfänger*innen nach Fächergruppen
Zunächst werden hier die Frauenanteile nach den übergreifenden Fächergruppen, entsprechend der Fächersystematik des Statistischen Bundesamtes, dargestellt. In allen Fächergruppen außer Sport und den Ingenieurwissenschaften sind die Frauen mittlerweile in der Mehrheit - sowohl bei den Studierenden als auch bei den Studienanfänger*innen. Die Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften (69,4% Frauen unter den Studierenden, 72,6 % unter den Studienanfänger*innen) weist das höchste Geschlechterungleichgewicht zugunsten der Frauen aus. Die Ingenieurwissenschaften bilden mit 25,3 % Frauenanteil unter den Studierenden und 27,4 % unter den Studienanfänger*innen den Gegenpol.
In allen Fächergruppen außer Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften, Veterinärmedizin und den Fächern außerhalb der Studienbereichsgliederung liegt der Frauenanteil bei den Studienanfänger*innen höher als unter den Studierenden. Hier ist also für die nächsten Jahre eine weitere Steigerung des Frauenanteils unter den Studierenden zu erwarten.
Bei der im Titel des Beitrags gestellten Frage, was Frauen und Männer (typischerweise) studieren sollten insbesondere die absoluten Zahlen in Betracht gezogen werden: Ein Fach aus den Ingenieurwissenschaften studieren beispielsweise fast so viele Frauen (189.389) wie ein Fach aus den Geisteswissenschaften (200.420). Noch deutlich mehr Frauen (657.197) studieren ein Fach aus der Gruppe der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, die bei den männlichen Studierenden mit 459.425 Personen auf Platz 2 der beliebtesten Fächergruppen hinter den Ingenieurwissenschaften (559.316 männliche Studierende) liegt.
Frauenanteil unter Studierenden und Studienanfänger*innen nach Studienbereichen
Die nachstehende Tabelle teilt die Fächergruppen weiter nach Studienbereichen auf, wieder entsprechend der Systematik des Statistischen Bundesamtes, und zeigt wiederum die absoluten Zahlen der Studierenden und Studienanfänger*innen sowie die Frauenanteile. Die Studienbereiche umfassen teils mehrere, teils nur einzelne Fächer und unterscheiden sich untereinander zum Teil deutlich hinsichtlich ihrer Gesamtstudierendenzahlen. Insofern sollte auch hier bei der Frage, welche Fächer bei Frauen oder Männern besonders stark nachgefragt sind, wiederum sowohl die Anteile als auch die Absolutzahlen der Männer und Frauen in den Blick genommen werden.
Der Studienbereich Wirtschaftswissenschaften (BWL, VWL, Wirtschaftswissenschaften) ist bei Frauen und Männern gleichermaßen der meiststudierte, was auch zu einem fast ausgeglichenen Geschlechteranteil führt. Bei den Frauen folgen mit Sozialwesen und Psychologie zwei Studienbereiche auf der Beliebtheitsskala, in denen die Frauenanteile über 75 Prozent liegen. Dahinter folgen die Rechtwissenschaften, die mit 59 Prozent Frauenanteil ein etwas ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis aufweisen. Bei den Männern folgen hinter den Wirtschaftswissenschaften mit Informatik, Maschinenbau/Verfahrenstechnik sowie Elektrotechnik und Informationstechnik drei Studienbereiche mit jeweils über 75 Prozent Männeranteil - ebenfalls gefolgt von den Rechtswissenschaften.
Frauenanteile und absolute Zahlen stehen auch hier manchmal auf den ersten Blick im Widerspruch zueinander: Das männerdominierte Fach Informatik studieren mehr Frauen (aber eben noch deutlich mehr Männer) als z.B. die frauendominierte Germanistik. Es studieren etwa genauso viele Frauen Maschinenbau/Verfahrenstechnik wie Anglistik/Amerikanistik. Umgekehrt sind die frauendominierten Fächer Sozialwesen und Psychologie bei den männlichen Studierenden immerhin noch auf Platz 12 und 14 der Beliebtheitsskala aller 63 Studienbereiche. Es ist also ein deutlicher Unterschied zwischen der Frage, ob ein Fach typischerweise von Frauen/Männern studiert wird, oder ob Frauen/Männer typischerweise ein bestimmtes Fach studieren. Das Fach Veterinärmedizin mit dem höchsten Frauenanteil (86,1 Prozent) ist beispielsweise gerade einmal auf Platz 44 der meiststudierten Fächer bei den weiblichen Studierenden.
Fazit
125 Jahre nachdem im WS 1899/1900 mit Johanna Kappes die erste deutsche Studentin an der Uni Freiburg ihr Studium aufnahm, sind weibliche Studierende nun seit wenigen Jahren (WS 2021/22) in der Mehrheit. Bei den Studienanfänger*innen gilt das, zumindest kontinuierlich, bereits seit WS 2016/17. Die folgenden Faktoren haben vermutlich zu dieser Entwicklung beigetragen:
- Höhere Studienberechtigtenquote bei den Frauen: Zwar sind Männer in den jüngeren Altersgruppen in Deutschland in der Mehrheit, die Studienberechtigenquote (Anteil der Studienberechtigten an einem Altersjahrgang) liegt jedoch bei den Frauen mit 52,9 Prozent gegenüber 41,7 Prozent bei den Männern deutlich höher. Allerdings berücksichtigen die angegebenen Quoten nicht die über eine berufliche Qualifikation erworbene Studienberechtigung. Unter den Absolvent*innen mit allgemeiner Hochschulreife an allgemeinbildenden Schulen im Jahr 2022 waren 55,4 Prozent Frauen.
- Akademisierung von weiblich dominierten Berufen: In den letzten Jahrzehnten sind in Deutschland verschiedene (Ausbildungs)-Berufe, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, akademisiert worden bzw. eine akademische Höherqualifikation ermöglicht worden. Hier ist insbesondere der gesundheitswissenschaftliche Bereich zu nennen, u.a. die Fächer Pflege/Pflegewissenschaft, Hebammenwissenschaft, verschiedene Therapieberufe wie z.B. Logopädie oder auch den neuen Studiengang Physician Assistant , der auf den bei Frauen beliebten Ausbildungsberuf Medizinische Fachangestellte aufbaut. Nicht unerwähnt bleiben darf hier aber, dass es (nicht nur) für die beliebtesten Ausbildungsberufe bei Männern schon seit Jahrzehnten entsprechende Studienfächer (Ingenieurwissenschaften, Informatik, BWL) gibt.
- Veränderungen im Studienangebot der Hochschulen: Die Hochschulen passen ihr Studienangebot entsprechend der Studiennachfrage an und bauen das Studienangebot in Fächern aus, die (auch) von vielen Frauen nachgefragt werden, wie u.a. die CHE-Auswertung Die Vielfalt der Studiengänge 2024 zeigt: In der Fächergruppe Medizin, Gesundheitswissenschaften (Frauenanteil bei Studienanfänger*innen: 72,6 %) fand zwischen 2019 und 2024 der größte prozentuale Zuwachs an Studienangeboten statt (+32,1 %). Der höchste absolute Zuwachs an Studienangeboten entfiel auf den frauendominierten Bereich der Lehramtsstudiengänge.
Wie oben gezeigt gibt es teilweise erhebliche Ungleichverteilungen der Geschlechter auf verschiedene Studienfächer. Diese kann man unterschiedlich bewerten:
- Geschlechterunterschiede oder verfestigte Rollenklischees?: Die unterschiedliche Studienwahl der Geschlechter könnte man einerseits als Ausdruck dessen sehen, dass Frauen und Männer unterschiedliche Interessen und selbst wahrgenommene Stärken und Schwächen haben - oder auch als Ausdruck einer zu stark klischeehaften Studienwahl, die durch entsprechende Initiativen und Maßnahmen wie z.B. dem Boys/Girls-Day abzubauen sei. Wünschenswert wäre, dass alles Studieninteressierten das für sich individuell passendste Studienangebot finden - ohne sich von Rollenklischees von einer Studienwahl abbringen oder zu einer vermeintlich passenden Wahl verleiten zu lassen.
- Ungleichverteilung als Mitursache für den Gender-Pay-Gap: Zwischen den Studienfächern gibt es nicht unerhebliche Unterschiede in den Berufs- und Einkommenschancen gibt, die im Zusammenspiel mit den geschlechtsspezifischen Studienwahlpräferenzen auch zum Gender-Pay-Gap beitragen: Unter den Studienfächern mit dem höchsten Männeranteil (Ingenieurwissenschaften, Informatik, Wirtschaftsingenieurwesen, Physik) sind viele mit sehr guten Berufs- und Einkommenschancen. Unter den Fächern mit sehr hohem Frauenanteil sind viele mit nur durchschnittlichen Einkommenschancen (u.a. Ernährungs- und Haushaltswissenschaften, Kunst/Kunstwissenschaft, Sozialwesen, Gesundheitswissenschaften, verschiedene Geisteswissenschaften).
Bei einem Blick auf die absoluten Zahlen ist allerdings der Trend erkennbar, dass (auch) Frauen zunehmend Studienfächer mit sehr guten Einkommenschancen wählen, wie z.B. (Zahn-)Medizin, Rechtswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre, Informatik, Lehramt, Mathematik oder Maschinenbau. Im Fach Medizin sind beispielsweise mittlerweile zwei Drittel der Studienanfänger*innen weiblich. - Ökonomische und gesellschaftliche Folgen der Ungleichverteilung: Der Fachkräftemangel in Deutschland ist (auch) branchenspezifisch. Fächer, die bei einem Geschlecht deutlich weniger beliebt sind als beim anderen Geschlecht, haben größere Probleme, den Fachkräftebedarf zu decken, beispielsweise die männerdominierten Ingenieurwissenschaften oder Informatik aber auch frauendominierte Fächer wie das Lehramt oder Pflege. Der höhere Anteil der Teilzeitbeschäftigten unter den weiblichen Beschäftigten erfordert eine höhere "Kopfzahl" an Absolventinnen um das entsprechende Arbeitsvolumen zu erreichen.
Über den rein zahlenmäßigen Mangel hinaus wäre es in vielen Bereichen auch gesellschaftspolitisch wünschenswert, wenn eine größere Geschlechterheterogenität unter den Beschäftigten einer Profession bestünde. In der Grundschule unterrichten beispielsweise fast nur Lehrerinnen - mit einem entsprechenden Mangel an männlichen Bezugspersonen. Bei Psychotherapeut*innen sollten Klient*innen die Wahl haben, einer Person welchen Geschlechts sie sich anvertrauen wollen. Gemischtgeschlechtliche Ingenieur*innen-Teams entwickeln möglicherweise diversitätssensiblere Anwendungen. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Auf jeden Fall sollte die Entwicklung im Blick behalten werden und zu großen Ungleichgewichten gegengesteuert werden. Nach vielen Jahrzehnten der Gleichstellungsarbeit, die - aus guten Gründen - insbesondere die Verbesserung der Chancen für Frauen im Blick hatte, sollten insbesondere mit Blick auf die deutlich geringere Studienberechtigtenquote - zunehmend auch die Bildungschancen der jungen Männer in den Blick genommen werden.
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