DatenCHECK 1/2024

Entwicklung der Erstsemesterzahlen – Stabilisierung auf niedrigerem Niveau

In einem früheren DatenCHECK haben wir auf eine sinkende Anzahl von Studienanfänger*innen hingewiesen, insbesondere in der Zeit zwischen dem Wintersemester 2018/19 und dem Wintersemester 2021/22 (ausführlicher im CHECK – Entwicklung der Studienanfänger*innen in Deutschland). In diesem Beitrag analysieren wir nun neuere Erstsemesterzahlen.

Das Statistische Bundesamt veröffentlichte im November 2023 erste vorläufige Daten zur Entwicklung der Studierendenzahlen in Deutschland für das Wintersemester 2023/24. Während sich bei den Studierendenzahlen insgesamt ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahr zeigt, stieg die Zahl der Studienanfänger*innen im ersten Hochschulsemester wieder leicht an. Die Entwicklung wurde unter anderem von der Hochschulrektorenkonferenz positiv beurteilt. In diesem Beitrag wird mit einer vertiefenden Analyse der Daten aufgezeigt, dass sich bei den Erstsemesterzahlen eine Stabilisierung auf einem niedrigeren Niveau als in der Hochphase von 2011 bis 2020 andeutet, nicht jedoch eine Rückkehr auf dieses hohe Niveau. Prognosen der KMK (aus dem Jahr 2021) und auch des CHE (aus dem Jahr 2017) deuten zudem daraufhin, dass insbesondere aufgrund der demographischen Entwicklung bis 2026 eher mit stagnierenden bzw. noch weiter sinkenden Erstsemesterzahlen zu rechnen ist. Hinter der Gesamtentwicklung setzen sich zudem einzelne Trends der vergangenen Jahre fort, wie zum Beispiel eine abnehmende Nachfrage im Studienbereich Maschinenbau / Verfahrenstechnik. In den detaillierten Daten für das Wintersemester 2022/23, die bereits beim Statistischen Bundesamt abgerufen werden können, zeigt sich zudem, dass ein Anstieg bei internationalen Studienanfänger*innen (vor allem aus Indien) den kontinuierlichen Rückgang bei deutschen Studienanfänger*innen ausgleicht.

Die folgende Grafik zeigt zunächst die Gesamtentwicklung der Erstsemesterzahlen im jeweiligen Wintersemester ab dem Wintersemester 2011/12 bis zum Wintersemester 2023/24 (für dieses Semester liegen bislang nur vorläufige Daten vor). Wie zu erkennen ist, lag die Zahl der Studienanfänger*innen im Zeitraum vom WS 2011/12 bis zum WS 2019/20 immer höher als 420.000. Die Zahlen der vergangenen drei Wintersemester bewegen sich hingegen eher im Bereich um 400.000 Erstsemester. Auch wenn in den vergangenen beiden Wintersemestern wieder ein Anstieg erkennbar ist, liegen die aktuellen Zahlen deutlich unter dem vorherigen sehr hohen Niveau.

Blickt man auf die Zahlen für das gesamte Studienjahr (Sommersemester und das darauffolgende Wintersemester zusammengerechnet) zeigt sich diese Stabilisierung ebenfalls. In der folgenden Abbildung werden die tatsächlichen Erstsemesterzahlen für die Studienjahre 2017 bis 2023 der Prognose der KMK (2021) und des CHE (2017) gegenübergestellt, zudem wird aus den entsprechenden Prognosen auch die prognostizierte Entwicklung für die nächsten drei Jahre (2024 bis 2026) dargestellt. Aus der Grafik wird ersichtlich, dass die CHE-Prognose aus dem Jahr 2017 die abnehmende Zahl an Studienanfänger*innen in den darauffolgenden Jahren relativ gut getroffen hat (dargestellt wird hier das Basismodell aus der Prognose). Während zunächst etwas zu niedrige Erstsemesterzahlen prognostiziert wurden, lag die Prognose für 2020 und 2022 jeweils sehr nah an den tatsächlichen Werten. Für das Jahr 2023 wurde die Zahl der Studienanfänger*innen jedoch wieder etwas unterschätzt. Die Prognose der KMK lag für die Jahre 2021 bis 2023 etwas höher als die tatsächlich realisierten Werte. Für die Jahre 2024 bis 2026 rechnen sowohl die CHE-Prognose als auch die KMK-Prognose mit einer abnehmenden Zahl an Erstsemestern, was insbesondere auf die demographische Entwicklung und sinkende Geburtenraten in Deutschland in den relevanten Jahrgängen zurückzuführen ist. Kurzfristige Entwicklungen wie beispielsweise eine deutliche Zunahme an ausländischen Studienanfänger*innen können in den bereits etwas zurückliegenden Prognosen jedoch natürlich kaum erfasst bzw. prognostiziert werden.

Die detaillierten, bereits vorliegenden Zahlen für das Wintersemester 2022/23 und auch die vorläufigen Zahlen für das Studienjahr 2023 deuten zudem daraufhin, dass sich Trends bei der Fächerwahl auch weiterhin fortsetzen. Während die Zahl der Neueinschreibungen für den Studienbereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik für das Wintersemester 2022/23 im Vergleich zum Vorjahr erneut leicht gesunken ist, stieg die Zahl der Einschreibungen für den Studienbereich Informatik auf ein neues Rekordniveau. Gab es 2011/12 noch ein deutlich höheres Interesse für Maschinenbau/Verfahrenstechnik als für Informatik, haben sich die Verhältnisse inzwischen deutlich umgekehrt. Der vorläufige Bericht des Statistischen Bundesamtes für das gesamte Studienjahr 2023 deutet zudem an, dass sich dieser Trend sogar noch weiter fortgesetzt hat: Im Vergleich zum Studienjahr 2022 fingen noch etwas mehr Personen ein Informatik-Studium (42.839 vs. 42.095) an, die Zahl der Neueinschreibungen in Maschinenbau/Verfahrenstechnik (22.714 vs. 23.256) ist hingegen noch weiter gesunken.

Anhand der detaillierten Zahlen für das Wintersemester 2022/23 ist zudem ersichtlich, dass der leichte Anstieg im Vergleich zum vorherigen Wintersemester 2021/22 insbesondere auf einen Zuwachs bei ausländischen Studienanfänger*innen zurückzuführen ist. Wie die folgende Abbildung illustriert, sank die Anzahl deutscher Studienanfänger*innen im Wintersemester 2022/23 im Vergleich zum Vorjahr ab. Deutlich gestiegen ist hingegen die Zahl der Erstsemester ohne deutsche Staatsangehörigkeit (d. h. sowohl Bildungsinländer mit Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung (HZB) im Inland als auch Bildungsausländer mit Erwerb der HZB im Ausland) auf einen Rekordwert von 92.952 Studienanfänger*innen. Während der Corona-Pandemie war die Zahl der Neueinschreibungen von Ausländern deutlich eingebrochen, auf einen Wert von 75.817 Erstsemestern im Wintersemester 2020/21. Daten aus dem HSI-Monitor lassen vermuten, dass diese Entwicklung während der Corona-Pandemie insbesondere auf einen Rückgang bei der studienbezogenen Mobilität von Bildungsausländer*innen zurückzuführen ist, d. h. auf Austauschstudierende, die nicht beabsichtigen einen Studienabschluss an einer deutschen Hochschule zu erwerben. Die gegenläufige Entwicklung bei deutschen und ausländischen Studienanfänger*innen führt dazu, dass sich die Zahlen insgesamt auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert haben.

Aufgrund der sehr auffälligen Entwicklung wird im Folgenden noch einmal ein detaillierter Blick auf die Zahl der ausländischen Studienanfänger*innen und deren Herkunft geworfen. Dazu können die Angaben aus den Fachserien bzw. statistischen Berichten des Statistischen Bundesamtes verwendet werden, in denen die Zahl der Studienanfänger*innen aufgeschlüsselt nach ihrer Staatsangehörigkeit ausgewiesen wird. Die folgende Tabelle zeigt zunächst die Entwicklung vom Wintersemester 2018/19 bis zum Wintersemester 2022/23 nach Kontinenten. Es wird deutlich, dass im Wintersemester 2020/21 im Vergleich zum Vorjahr in Bezug auf alle Kontinente ein Rückgang verzeichnet wurde. Besonders dramatisch fällt dieser nach absoluten Zahlen bei Personen aus der Europäischen Union, Nord- und Südamerika und aus Asien aus. Danach sind die Zahlen wieder deutlich angestiegen, und insbesondere Personen mit einer asiatischen Staatsangehörigkeit beginnen inzwischen sogar noch häufiger ein Studium in Deutschland als vor Beginn der Corona-Pandemie.

Eine detaillierte Übersicht für einzelne Nationen zeigt jedoch abschließend, dass sich die Entwicklungen der Neueinschreibungen zwischen den Staatsangehörigkeiten deutlich unterscheidet. Die mit Abstand meisten Studienanfänger*innen aus dem Ausland hatten im Wintersemester 2022/23 eine indische Staatsangehörigkeit, gefolgt von Studierenden mit chinesischer Staatsangehörigkeit. Die Zahl der indischen Studienanfänger*innen ist dabei in den vergangenen Jahren nahezu kontinuierlich angestiegen, bis auf einen kurzen Rückgang im Corona-Wintersemester 2020/21. Die Zahl der chinesischen Erstsemester nimmt hingegen seit 2018/19 kontinuierlich ab, und es ist kein besonderer Effekt für das Wintersemester 2020/21 erkennbar. Ein deutlicher Einbruch im Wintersemester 2020/21 ist hingegen unter anderem für die Vereinigten Staaten, Mexiko, Japan und Südkorea zu erkennen. Ein Faktor für die deutlich gewachsene Zahl an ausländischen Studienanfänger*innen im Wintersemester 2022/23 waren zudem 2.977 Erstsemester aus der Ukraine, für die im Vergleich zum vorherigen Wintersemester (1.223) prozentual gesehen der größte Anstieg festzustellen ist.

Insgesamt verdeutlicht die Analyse, dass die Zahl der Neueinschreibungen von sehr vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt. Insbesondere die Zahl der ausländischen Studienanfänger*innen wird vom Weltgeschehen beeinflusst und lässt sich daher für die Zukunft auch nur schwer vorhersagen. Sollte die Zahl der ausländischen Studienanfänger*innen jedoch insgesamt weiter ansteigen, könnte eine sinkende Zahl an deutschen Studienanfänger*innen (die aufgrund der demographischen Entwicklung wahrscheinlich ist) möglicherweise auch zukünftig ausgeglichen werden.

Weiterführende Informationen

  • Die Entwicklung der Erstsemesterzahlen wurde in einem aktuellen Bericht im Januar 2024 auch vom Wissenschaftsrat analysiert.

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