DatenCHECK 4/2024

Future Skills in der Hochschullehre: Relevanz und Umsetzungsstand im Fächervergleich

In der Publikation Bildung für die Zukunft? Förderung von Future Skills in der Hochschullehre wurde 2023 die Förderung von Future Skills an deutschen Hochschulen für die wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Fächer aus Professor*innensicht beleuchtet (Horstmann, 2023). In diesem Beitrag veröffentlichen wir nun zusätzlich die in einer zweiten Erhebungswelle erfassten Daten der mathematisch-naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächer.

In einer sich rasant verändernden, digital- und KI-geprägten Welt mit großen gesellschaftlichen Herausforderungen stehen Hochschulen nicht mehr nur vor der Aufgabe, Studierende in fachlichen Disziplinen weiterzubilden, sondern ihnen auch sogenannte Future Skills zu vermitteln. Die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz haben das Thema Future Skills (und KI-Kompetenzen) noch einmal mehr in den Fokus gerückt und einen neuen Schub in der Diskussion um deren Förderung ausgelöst. Bei Future Skills handelt es sich um Handlungskompetenzen für zukünftige Situationen, die aufgrund ihrer schnellen Veränderungen immer wieder neue, komplexe Probleme hervorbringen und auf die die bisherige (Aus-)Bildung allein nicht mehr gut vorbereitet. Future Skills ermöglichen, in diesen Situationen selbstorganisiert komplexe Probleme zu lösen und (erfolgreich) handlungsfähig zu sein (Ehlers, 2022, S. 57).

Doch inwieweit werden die von Arbeitgeber*innen geforderten Future Skills bereits in der Hochschullehre in den Blick genommen? Und wie sieht der Umset­zungsstand auf der Ebene einzelner Fächer aus? Diese Fragen wurden erstmals in einer noch laufenden Studie des CHE Centrum für Hochschulentwicklung beleuchtet, die im Rahmen der CHE Hochschulrankings 2023 und 2024 durchgeführt wurde. Das Ziel dieser Untersuchung bestand darin, bundesweit für verschiedene Fächer systematisch zu untersuchen, inwieweit Future Skills bereits von Professor*innen in die Hochschullehre integriert werden. Eine letzte Erhebungswelle ist für die Professor*innenbefragung im CHE Hochschulranking 2025 geplant, sodass im kommenden Jahr eine Übersicht über nahezu alle „großen“ Fächer an deutschen Hochschulen vorliegen wird.

Methodik: In einer Online-Befragung wurden in einer ersten Erhebungswelle (Dezember 2022 bis Januar 2023) 3.523 Professor*innen der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fächer inklusive So­ziale Arbeit an deutschen Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und dualen Hochschulen befragt. In einer zweiten Erhebungswelle (Dezember 2023 bis Januar 2024) erfolgte eine Befragung von 2.906 Professor*innen der ma­thematisch-naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächer inklusive Pflegewis­senschaft, Politikwissenschaft und Sportwissenschaft. Für die Auswahl der zu untersuchenden Future Skills wurde das Framework von Stifterverband & McKinsey (Suessenbach, Winde, Klier & Kirchherr, 2021; ohne die Dimension Technologische Kompetenzen) herangezogen und ergänzt um weitere zentrale Future Skills aus der Literatur (4-K-Kompetenzen, Schleicher, 2013; Ehlers, 2022). Auf diese Weise wurde eine Liste von 22 nicht-digitalen Kompetenzen und Digitalkompetenzen erstellt. Der Future-Skills-Begriff sowie einzelne Future Skills wurden im Fragebogen definiert.

Die Abbildung zeigt die Teilnehmer*innen-Zahlen pro Fach und Hochschultyp (in Klammern ist jeweils der Erhebungszeitraum genannt), die den Fragebogen beendet haben. Darüber hinaus wurden aber auch gültige Urteile von Teilnehmenden einbezogen, die den Fragebogen nicht beendet haben (somit kann es zu kleineren Abweichungen zwischen den hier und unten genannten Ns kommen). Da sich innerhalb der Fächer die Daten für die verschiedenen Hochschultypen nur geringfügig unterschieden, wurde die Auswertung pro Fach aggregiert über alle Hochschultypen vorgenommen.

Umsetzungsstand von Future Skills auf Fächerebene

In der ersten und zweiten Erhebungswelle wurden die befragten Professor*innen gebeten: „Bitte geben Sie für die aufgeführten Future Skills an, in welchem Ausmaß Sie diese in Ihren Lehrveranstaltungen fördern“. Die Einschätzung erfolgte auf einer 5-Punkte-Ratingskala mit den Endpunkten „überhaupt nicht“ bis „sehr stark“. Die Ergebnisse der zweiten Erhebungswelle bestätigen die bereits veröffentlichten Befunde aus der ersten Erhebungswelle:

Auf der einen Seite kristallisieren sich einzelne Kompetenzen heraus, die in allen bisher untersuchten Fächern bereits stark gefördert werden. So gibt der Großteil der befragten Professor*innen an, kritisches Denken (je nach Fach zwischen 78 und 97 % der Professor*innen) und Problemlösekompetenz (zwischen 81 und 99 % der Professor*innen) in ihren Lehrveranstaltungen bereits „stark“ oder „sehr stark“ zu fördern. Darüber hinaus werden auch Urteilskompetenz, Eigeninitiative, Selbstorganisationskompetenz sowie Lernkompetenz von der Mehrheit der Befragten besonders gefördert, wobei sich nur moderate Fächerunterschiede ergeben.

Auf der anderen Seite zeigt sich, dass für einen Großteil der untersuchten Future Skills die Förderung derzeit noch stark fachabhängig ist. So ist nach Einschätzung der teilnehmenden Professor*innen das Ausmaß der Förderung für Kollaboration, Kreativität, Entscheidungskompetenz, Kommunikation, Interkultu­relle Kommunikation, Dialog- und Konfliktkompetenz, Innovationskompetenz, Ver­änderungskompetenz, Ambiguitätskompetenz/Umgang mit Unsicherheit, Resilienz und Missionsorientierung sowie für die Digitalkompetenzen noch sehr fachabhän­gig. Beispielsweise wird Kollaboration aus Professor*innensicht besonders häufig im Fach Pflegewissenschaft (89 %) „stark“ bis „sehr stark“ gefördert. Der geringste Anteil an Professor*innen, die Kollaboration besonders fördern, zeigt sich hingegen im Fach Rechtswissen­schaft (18 %). Für letzteres Fach findet sich wiederum der zweithöchste Anteil (89 %; nach Wirtschaftsrecht mit 92 %) an Professor*innen, die Entscheidungskompetenz in besonderem Maße fördern.

Digitalkompeten­zen werden aus Professor*innensicht im Vergleich zu einigen nicht-digitalen Future Skills insgesamt noch deutlich seltener gefördert, doch auch hier zeigen sich bedeutsame Fächerunterschiede. So findet sich für das Fach Informatik über alle fünf untersuchen Digitalkompetenzen (Digital Literacy, Digitale Kollabora­tion, Digitales Lernen, Digitale Ethik und Agiles Arbeiten, vgl. Suessenbach et al., 2021) der höchste Anteil an Professor*innen, die diese Kompetenzen besonders fördern. Auch in den Fächern Wirtschaftsinformatik oder Pflegewissenschaft werden Digitalkompetenzen schon von einem bedeutsamen Anteil an Professor*innen gefördert. Im Fach Rechtswissenschaft ist hingegen der An­teil der Professor*innen, die Digitalkompetenzen in besonderem Maße in ihre Lehre einbeziehen, gering.

Die nachfolgenden Abbildungen zeigen, wie stark (von „überhaupt nicht“ bis „sehr stark“) Professor*innen der untersuchten Fächer das jeweilige Future Skill in ihren Lehrveranstaltungen fördern. Über das Drop-Down-Menü kann eine Grafik für jedes der 22 untersuchten Skills ausgewählt werden.

Beim Vergleich der Fächer muss einschränkend bedacht werden, dass die Daten der ersten und zweiten Erhebungswelle aufgrund des Fächerrhythmus des CHE Rankings um ein Jahr zeitversetzt erhoben wurden. In diesem Zeitraum können angesichts der Dynamik in den Themenfeldern Digitalisierung und KI an den Hochschulen bereits bedeutsame Veränderungen in der Curriculumsentwicklung im Hinblick auf die Integration von Future Skills stattgefunden haben. Dennoch finden sich auch innerhalb der einzelnen Erhebungswellen bedeutsame Fächerunterschiede.

Future Skills-Profile der Fächer

Anhand der zuvor beschriebenen Daten wurden Future Skills-Profile auf Fächerebene erstellt. Diese verdeutlichen, dass die Fächer im Hinblick auf die Förderung von Future Skills derzeit (noch) unterschiedlich weit sind. Für die Fächer Informatik, BWL aber auch Pflegewissenschaft ist beispielsweise gut erkennbar, dass die Hochschullehre im Hinblick auf die Förderung von nicht-digitalen Future Skills aus Sicht der Professor*innen in vielen Bereichen schon sehr gut aufgestellt ist. Andere Profile sind deutlich lückenhafter, etwa in den Fächern VWL oder Rechtswissenschaft. Aber auch hier lassen sich charakteristische Kompetenzen ausmachen, die besonders – teilweise sogar noch von einem höheren Anteil an Professor*innen als in anderen Fächern – gefördert werden. Auch im Hinblick auf die fünf untersuchten Digitalkompetenzen unterscheiden sich die Fächerprofile. Hier hebt sich das Fach Informatik – wenn auch hier naheliegenderweise – von anderen Fächern ab. Aber auch in den Fächern Wirtschaftsinformatik und Pflegewissenschaft werden Digitalkompetenzen schon häufig in den Blick genommen.

Insgesamt scheinen viele Ergebnisse sehr gut zu den Charakteristika der einzelnen Fächer zu passen. Beispiele hierfür sind die besondere Förderung von Entscheidungskompetenz im Fach Rechtswissenschaft, von Innovationskompetenz im Fach Wirtschaftsingenieurwesen,
von Dialog- und Konfliktkompetenz im Fach Soziale Arbeit oder von Interkultureller Kommunikation im Fach Pflegewissenschaft.

In den Abbildungen ist der Anteil der Professor*innen der untersuchten Fächer (in Prozent) dargestellt, die das jeweilige Future Skill „stark“ oder „sehr stark“ fördern (hellblau = Digitalkompetenzen, dunkelblau = nicht-digitale Kompetenzen). Über das Drop-Down-Menü können die Future Skills-Profile der einzelnen Fächer ausgewählt werden.

Die „lückenhafteren“ Profile bestimmter Fächer legen die Schlussfolgerung nahe, dass in diesen Fächern noch ein besonderer Aufholbedarf im Hinblick auf die Förderung von Future Skills besteht. Bei dieser Interpretation ist jedoch Vorsicht geboten. Denkbar ist, dass verschiedene Arbeitsfelder noch unterschiedlich stark von Zukunftsthemen wie Digitalisierung und KI durchdrungen sind und sich dies auch in den Anforderungen des Arbeitsmarktes an die Hochschulen widerspiegelt. Für verschiedene Berufsbereiche könnten aber auch grundsätzlich unterschiedliche Sets an Future Skills besonders relevant sein. Auch wenn Future-Skills-Ansätze auf mehr als die reine „Employability“ abzielen, werden Anforderungsanalysen für Berufsfelder außerhalb der bislang besonders fokussierten Bereiche Technologie und Wirtschaft benötigt (vgl. Horstmann, 2023). Einen ersten Hinweis auf die Relevanz von Future Skills für unterschiedliche Berufsfelder könnten die nachfolgend beschriebenen Daten liefern.

Wichtigkeit von Future Skills aus Professor*innensicht

In der zweiten Erhebungswelle wurden die Professor*innen zusätzlich gefragt: „Für wie wichtig halten Sie die Förderung folgender Future Skills bei Studierenden Ihres Faches im Hinblick auf deren spätere Berufstätigkeit?“. Sie nahmen ihre Einschätzungen auf einer 5-Punkte-Rating­skala mit den Endpunkten „gar nicht wichtig“ bis „sehr wichtig“ vor.

Für den Großteil der untersuchten Future Skills zeigt sich in allen Fächern, dass die Mehrzahl der Professor*innen die Förderung der jeweiligen Kompe­tenz als „wichtig“ oder „sehr wichtig“ im Hinblick auf die spätere Berufstätigkeit von Studierenden einschätzt. Interessanterweise ist der Anteil der Professor*innen, welche die Wichtigkeit einer Kompetenz hoch einschätzen, bei fast allen Future Skills und Fä­chern höher als der Anteil der Befragten, die angeben, diese Kompetenz bereits be­sonders zu fördern. So wird etwa im Fach Pflegewissenschaft die inter­kulturelle Kommunikation von 95 Prozent der Befragten als wichtig eingeschätzt, während lediglich 56 Prozent der Professor*innen dieses Future Skills bereits in besonderem Maße fördern. Im Fach Medizin beurteilen 84 Prozent der Befragten Resilienz als wichtig, jedoch nehmen nur 43 Prozent der Professor*innen diese Kompetenz besonders in den Blick. Im Fach Politikwissenschaft halten 90 Prozent der Befragten Entscheidungskompetenz für wichtig, während nur 64 Prozent der Professor*innen angeben, Entscheidungskompetenz aktuell besonders zu fördern. Für die insgesamt noch wenig geförderte Digitale Ethik zeigt sich etwa im Fach Geographie, dass immerhin 54 Prozent der Professor*innen eine hohe Wichtigkeit angeben, während erst 20 Prozent der Befragten diese Kompetenz in besonderem Maße fördern.

In den Daten findet sich eine Vielzahl solcher Beispiele für einen aktuellen Gap zwischen der Wichtigkeit und dem aktuellem Umsetzungsstand an den Hochschulen aus Professor*innensicht. Anhand dieser Daten sollte jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass lediglich der Anteil an Professor*innen zu erhöhen sei, welche die jeweiligen Kompetenzen in ihren Lehrveranstaltungen adressieren. So decken Lehrende immer nur einen Teil des Curriculums in einem Studiengang ab und es ist somit ebenso wenig erforderlich wie möglich, dass alle Lehrenden das ganze Portfolio an Future Skills in die eigene Lehre integrieren. Vielmehr sollten bei der Curriculumsentwicklung Future Skills durch eine gezielte Zusammenstellung entsprechender Lernziele sowie die Integration alternativer und innovativer Lehr- und Lernformate ganzheitlich mitbedacht werden.

Betrachtet man pro Fach die Top Five der wichtigsten Future Skills, so befinden sich darunter in allen der elf untersuchten Fächer Problemlösekompetenz, kritisches Denken und Kollaboration. Darüber hinaus fallen Kommunikation (in neun Fächern) und Eigeninitiative (in acht Fächern) unter die Top Five der wichtigsten Future Skills. Die Digitalkompetenzen werden im Vergleich zu den nicht-digitalen Kompetenzen von einem geringeren Anteil an Professor*innen als wichtig bewertet.

In den Abbildungen ist für die einzelnen Fächer die Wichtigkeit der untersuchten Future Skills im Vergleich zum aktuellen Umsetzungsstand in der Lehre dargestellt. Über das Drop-Down-Menü kann eine Grafik für jedes der untersuchten Fächer der zweiten Erhebungswelle angezeigt werden.

Die hier präsentierten Daten sollen dazu dienen, einen ersten Überblick über den Umsetzungsstand von Future Skills in der Lehre an deutschen Hochschulen zu geben. In der vorliegenden Studie wurde nicht unterschieden, ob die zu beurteilenden Future Skills bereits curricular verankert sein müssen oder nicht. Somit ist es denkbar, dass die befragten Professor*innen nicht nur eine Aussage über explizit im Curriculum verankerte Future Skills machten, sondern ihre Angaben auch auf Kompetenzen bezogen, die sie als implizite Ergebnisse ihrer regulären Lehrinhalte und Lehrformate vermuten. Es wäre interessant, in zukünftigen Studien zu untersuchen, inwieweit schon eine curriculare Verankerung von Future Skills stattgefunden hat. Eine kritische Einordnung der Ergebnisse sowie Implikationen für die Hochschulforschung finden sich in der Publikation zur ersten Erhebungswelle (Horstmann, 2023). Für eine kritische Bestandsaufnahme der Definitionen, bestehender theoretischer Modelle und empirischer Befunde für das Future Skills-Konzept im Bildungsbereich Hochschule siehe außerdem Ehlers, Eigbrecht, Horstmann, Matthes, Piesk & Rampelt (2024).

Literatur

Ehlers, U.-D. (2020). Future Skills. Lernen der Zukunft – Hochschule der Zukunft (Zukunft der Hochschulbildung – Future Higher Education, 1. Auflage 2020). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH; Springer VS. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-29297-3

Ehlers, U.-D. (2022a). Future Skills im Vergleich. Zur Konstruktion ei-nes allgemeinen Rahmenmodells für Zukunftskompetenzen der aka-demischen Bildung. Hg. v. Ulf-Daniel Ehlers, Karlsruhe. https://nextskills.org/downloads/2022-01-Future-Skills-Bildungsforschung_final_Vs_2.pdf

Ehlers, U.-D., Eigbrecht, L., Horstmann, N., Matthes, W., Piesk, D. & Rampelt, F (2024). Future Skills für Hochschulen: Eine kritische Bestandsaufnahme. Vorveröffentlichung aus der Publikation Future Skills lehren und lernen – Schlaglichter aus Hochschule, Schule und Weiterbildung. Berlin: Stifterverband für die deutsche Wissenschaft. https://www.stifterverband.org/medien/future-skills-fuer-hochschulen

Horstmann, N. (2023). Bildung für die Zukunft? Förderung von Future Skills in der Hochschullehre. CHE Impulse Nr. 13. https://www.che.de/download/future-skills-2023/.

Schleicher, A. (2013). 21st Century Skills. re:publica, Berlin.

Suessenbach, F., Winde, M., Klier, J. & Kirchherr, J. (2021). Future Skills 2021. 21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel. In Kooperation mit McKinsey & Company. Hg. v. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. Essen. Verfügbar unter: https://www.stifterverband.org/download/file/fid/10547