DatenCHECK 8/2025

Medizinstudienplätze in den deutschen Bundesländern

Cort-Denis Hachmeister

Zusammenfassung: Deutschland steuert auf einen Ärzt*innenmangel zu, obwohl jährlich rund 20.000 Studieninteressierte ihren Wunsch nach einem Medizin-Studienplatz nicht erfüllt bekommen können. Die für die Bereitstellung von Studienplätzen eigentlich zuständigen Länder tragen in sehr unterschiedlichem Ausmaß – bezogen auf ihre Bevölkerung bzw. Studienanfänger*innenzahlen – zum Studienplatzangebot in Medizin bei. Hauptgrund dürften die hohen Kosten und langen Ausbildungszeiten im Medizinstudium sein. Private Hochschulen füllen diese Lücke zum Teil. Dabei legen hier präsentierten Daten nahe, dass das Vorhandensein von Medizin-Ausbildungsstätten mit einer höheren Ärzt*innendichte einher geht. Zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung sollten Regionen daher die Ansiedlung von medizinischen Fakultäten in den Blick nehmen.

Studienplätze im Bereich Medizin gehören zu den beliebtesten und gleichzeitig am schwierigsten zu erhaltenen Studienplätzen in Deutschland. Laut dem DatenCheck DatenCHECK Was studieren Frauen? Was studieren Männer? war Medizin im Wintersemester 2023/24 mit rund 113.000 Studierenden der Studienbereich mit den siebtmeisten Studierenden. Zwei Drittel der Studienanfänger*innen sind dabei mittlerweile weiblich. Laut den Statistiken von Hochschulstart.de kamen im Wintersemester 2024/25 insgesamt 32.966 Bewerbende auf 10.219 in diesem Semester angebotene Plätze, also ein Verhältnis von etwa 3 Bewerber*innen pro Platz bzw. einem Bewerber*innenüberhang von über 20.000 Personen.

Nicht nur wegen des Bewerbungsüberhangs und der damit verbundenen Einschränkung der eigentlich grundgesetzlich garantierten Freiheit der Berufswahl sondern auch wegen einer drohenden Versorgungslücke wird immer wieder gefordert, die Studienplatzkapazitäten für Medizin zu erhöhen, beispielsweise im Januar 2023 vom damaligen Gesundheitsminister Lauterbach. Zitat Lauterbach: „Wenn wir nicht die Zahl der Medizinstudienplätze um 5000 erhöhen, werden wir die Babyboomer-Generation in naher Zukunft nicht mehr angemessen versorgen können“.

Tatsächlich sind in den letzten Jahren an verschiedenen Orten neue Medizinstudienplätze entstanden, sei es durch Ausweitung bestehender Kapazitäten oder Neugründungen wie der Medizinischen Fakultät an der Universität Bielefeld oder an privaten Einrichtungen wie der HMU in Potsdam. Allerdings ist die Zahl der zusätzlich entstandenen Plätze weit von der oben genannten Zielzahl von 5.000 entfernt: Zum Wintersemester 2015/16 gab es 9.068 von hochschulstart.de vergebene Medizin-Studienplätze, aktuell sind es gerade einmal 1.000 mehr.

Der Hauptgrund dafür, dass die Studienplatzkapazitäten im Fach Medizin nicht entsprechend ausgeweitet werden, dürfte an den hohen Bau- bzw. Betriebskosten liegen. Allein die laufenden Ausgaben (Grundmittel) der Hochschulen im Bereich Humanmedizin-/Gesundheitswissenschaften betrugen 25.430 Euro pro Student*in, hinzu kommen Mieten, bzw. Bau- oder sonstige Investitionen. Einige Regionen reagieren mit der Ansiedlung privater Hochschulen (z.B. der Medizinischen Hochschulen Brandenburg), bei der die Studierenden bzw. die späteren Arbeitgeber*innen die Kosten selbst tragen. In Osnabrück wird aktuell ein kommunal getragener Medizinstudiengang diskutiert.

Medizinstudienplätze je Bundesland

Für die Einrichtung von (zusätzlichen) Studienplätzen an staatlichen Hochschulen sind die Bundesländer als Träger der Hochschulen verantwortlich. Die beiden Karten und die darunter liegende Tabelle zeigen das von den staatlichen Hochschulen der einzelnen Bundesländer im Studienjahr 2024 bereit gestellten Studienplätze – einmal im Verhältnis zur Zahl der Einwohner*innen und einmal je 1.000 Studienanfänger*innen.

Verfügbare Studienplätze je 100.000 Einwohnende

Verfügbare Studienplätze je 1.000 Studienanfänger*innen

Die Karten zeigen, dass die Länder in sehr unterschiedlichem Maße Medizin-Studienplätze bereitstellen. Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland stechen heraus und bieten je 100.000 Einwohner*innen (Saarland) bzw. pro 1.000 Studienanfänger*innen (Mecklenburg-Vorpommern) die meisten Plätze an, gefolgt von Sachsen-Anhalt. Nordrhein-Westfalen bietet zwar insgesamt die meisten Medizinstudienplätze aller Bundesländer an, bezogen auf die Einwohner*innen bzw. Studienanfänger*innen im Land jedoch nicht überdurchschnittlich viele. Bremen und Brandenburg bieten an ihren staatlichen Hochschulen bislang überhaupt keine Medizinstudienplätze an. In Brandenburg startet die Mediziner*innenausbildung an der Medizinischen Universität Lausitz in Cottbus allerdings zum WS 2026/27. Die unten stehende Tabelle zeigt die Daten noch einmal im Detail.

Zusätzliche Studienplätze bzw. Studienanfänger*innen an privaten Hochschulen

Über die Angebote an staatlichen Universitäten hinaus gibt es mittlerweile auch eine Reihe von Privatuniversitäten, die ein Medizinstudium anbieten. In Summe nehmen diese Universitäten mittlerweile knapp 1.500 Studienanfänger*innen pro Jahr auf.

Medizin-Studienangebote und Ärzt*innendichte

Bereits oben ist angeklungen, dass es nicht nur um die Versorgung der „Landeskinder“ mit ausreichend Studienplätzen zur Verwirklichung des Berufswunsches geht, sondern auch um die zukünftige medizinische Versorgung – sowohl bundesweit als auch regional. Studienplatz-Anbieter hoffen dabei auch auf einen „Klebeeffekt“ – also, dass die Absolvent*innen sich später in der Region als Ärzt*innen ansiedeln und sich die Finanzierung des Studienplatzes daher für das jeweilige Bundesland auch in dieser Hinsicht lohnt.

Die folgenden Karten geben Aufschluss über diesen möglichen Klebeeffekt. In der linken Karte wird die Ärzt*innendichte (Ärzt*innen in der vertragsärztlichen Versorgung je 100.000 Einwohner*innen) je Raumordnungsregion entsprechend den Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung abgebildet. Ebenfalls in der Karte sind die Standorte der staatlichen und privaten Medizinstudium-Anbieter verzeichnet. Neuere Angebote (z.B. in Bielefeld), bei denen noch keine Studienabschlüsse stattgefunden haben, sind mit einem weißen Punkt markiert. Das Angebote der Medizinischen Universität Lausitz in Cottbus soll erst zum WS 2026/27 starten und ist daher noch nicht verzeichnet. In der zweiten Karte sind die Anbieter noch einmal separat, inklusive ihrer Trägerschaft und der Platz-/Studienanfänger*innenzahl.

Ärzt*innendichte je Raumordnungsregion

Hochschulstandorte mit Humanmedizinstudiengängen

Die Karten stützen die Hypothese, dass ein solcher Klebeeffekt tatsächlich existiert. In Regionen mit einen darin platzierten Medizinstudienangebot scheint es tendenziell eine vergleichsweise hohe Ärztedichte (bezogen auf die Bevölkerung) zu geben. Einige Raumordnungsregionen stechen besonders hervor, neben den Großstädten wie Berlin, Hamburg, Köln/Bonn und München beispielsweise die Region Unterer Neckar (Universität Heidelberg), Südlicher Oberrhein (Universität Freiburg) oder Schleswig-Holstein Ost (Med. Universität Lübeck). Obwohl in Bremen selbst keine Medizinstudienplätze angeboten werden, profitiert der Stadtstaat möglicherweise von der Nähe zu Oldenburg und Hamburg. An der Universität Bielefeld gab es noch keine Medizin-Absolvent*innen, die sich positiv auf die Ärztedichte in der Region hätten auswirken können.

Fazit

Es herrschen Studienplatz- und Arzt*innenmangel

Es scheint allgemein Konsens zu sein, dass ein Mangel an Medizin-Studienplätzen herrscht, der vor dem Hintergrund des sogar doppelt wirksamen demografischen Wandels (Babyboomer werden älter und benötigen ärztliche Hilfe bzw. stehen selbst nicht mehr als Ärzt*innen zur Verfügung) dringend behoben werden muss. Zumal sowohl die Einrichtung neuer Studienplätze Zeit für den Bau entsprechender Einrichtungen Zeit braucht, genauso wie das spätere Studium zuzüglich Facharztausbildung.

Bei der Kalkulation des Bedarfs an Ärztinnen und Ärzten sollte auch der mittlerweile hohe Frauenanteil unter den Medizin-Studierenden und der gleichzeitige hohe Teilzeit-Anteil von weiblichen Beschäftigten sowie die durchschnittlich längerer Elternzeit von Frauen einbezogen werden. Der Bedarf an ärztlich ausgebildeten Personen dürfte also noch weiter steigen.

Bundesländer lassen Mediziner*innenausbildung fremdfinanzieren

Gleichwohl gibt es mit Bremen und Brandenburg immer noch die Bundesländer, die staatlicherseits überhaupt keine Medizin-Studienplätze anbieten sowie weitere Länder, die bezogen auf die Bevölkerung oder Studienanfänger*innenzahlen deutlich weniger engagiert sind als andere wie das Saarland oder Mecklenburg-Vorpommern. Private Hochschulen wie die Medizinische Hochschule Brandenburg füllen hier teilweise die Lücke, was aber bedeutet, dass die Finanzierung der Studienplätze von den Länderhaushalten auf die die zahlenden Studierenden oder deren Stipendiengeber verlagert wird.

Dasselbe gilt für diejenigen Studierenden, die aufgrund des Studienplatz-Mangels ein Medizinstudium außerhalb Deutschlands aufnehmen: Mindestens 9.100 deutsche Medizinstudierende studieren im Ausland, wie eine im Juni 2025 veröffentlichte Auswertung des CHE zeigte. Diese Studierenden finanzieren ihre Studienplätze über z.T. hohe Studiengebühren entweder selbst – und/oder werden auf Kosten des aufnehmende Staates (z.B. Österreich) ausgebildet.

Einige Bundesländer vergeben einen Teil ihrer Studienplätze gegen die Verpflichtung, später für mehrere Jahre in einer unterversorgten Region des Landes tätig zu werden (Landarztquote). Bei Nichterfüllung des Vertrags werden den Studierenden die Kosten des Studiums in Rechnung gestellt. Im gewissen Sinne werden hier also letztlich staatliche Studienplätze verkauft (gegen die Niederlassungsfreiheit, eine der vier Grundfreiheiten der EU). Der Vorschlag der CDU in Sachsen-Anhalt, Studiengebühren von (nicht-EU) ausländischen Medizinstudierenden zu nehmen, die Deutschland nach dem Studium wieder verlassen, wird dagegen von vielen Seiten kritisch gesehen.

Was muss geschehen?

Die gesellschaftliche und Politische Debatte um Medizinstudienplätze und wer sie einrichten und finanzieren soll, muss schnellstmöglich wieder aufgenommen werden und die Länder und ggf. der Bund müssen gemeinsam Lösungen finden. Die Einrichtung von Plätzen und die Ausbildung von Mediziner*innen dauert lange und das Damoklesschwert der Demografischen Entwicklung droht jedes Jahr mehr.

Dabei wäre die Einrichtung von Medizinstudienplätzen insbesondere in Regionen, wo es bisher keine gibt, lohnenswert: Zumindest scheint es einen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Medizin-Standorten und einer höheren Ärztedichte in der Region zu geben. Regionen mit Ärztemangel sollten dies zur Motivation nehmen, über die Ansiedlung einer medizinischen Fakultät nachzudenken.

Datenauswertung und Datenvisualisierungen: Anna Sappl

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